Liebesgedichte von Georg Heym

Noch weht um dich der Duft der großen Steppen,
Der Sommer Polens, und der Wogengang
Der Weizenfelder, wenn den Fluß entlang
Der Treidler Schultern große Flöße schleppen.

Tief, wie die schwarzen, herbstlichen Zisternen,
Die einsam stechen in das Morgengraun,
Sind deine Augen, die ins Weite schaun
Aus engen Straßen nach den Wintersternen.

Du wurdest für ein wildes Pferd geschaffen,
Für einen Ritt durch Nächte und Gefahr,
Die Tschapka auf der Stirn mit Goldagraffen.

Darunter flatterte dein schwarzes Haar,
Und wie von Silber glänzten unsre Waffen,
Wenn durch die Mondnacht zieht der weiße Aar.

Berlin

Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,
War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge
Unzählig: Menschenströme und Gedränge,
Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.

Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,
Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.
Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.
Automobile, Rauch und Huppenklänge.

Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn
Wir an der langen Straße Baum an Baum,
Der blätterlosen Kronen Filigran.

Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum.
Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.
Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum..

An meine kleine Freundin

Wer hätte das gedacht!

Das kam wohl über Nacht.

Denn als ich aufgewacht,

Da warst auf einmal du

Mein kleiner Herztyrann.

Sieh doch mal einer an,

Was Amor alles kann.

Schon weiß ich, was ich tu,

Damit du gnädig bist,

Und mich nicht gleich vergißt:

Ich mach dir dies Gedicht.

Ich hoff, es ist so schlicht,

So süß und zart wie du.

Liebe, Liebe, wo bist du…

Liebe, Liebe, wo bist du?

Wo bist du, die ich lieben möchte.

Wo bist du, bei der ich ausruhn möchte.

Vielleicht sitzest du jetzt

Auf deines Bettes Rand,

Und denkst daran,

Daß du mich nicht finden kannst,

Wie ich dich nicht finden kann.

Ich steh am Fenster, kratz mit der Hand

Das Eis von den Scheiben.

Seh ich hindurch,

Seh ich nichts als dunkele Nacht.

Dreh ich mich um,

Flackert das Licht hin und her

An meinem Bette,

Wie ein Totenlicht an der letzten Stätte.

Ich will mich jetzt schlafen legen,

Verschlafen die Winternacht.

Morgen kommt wieder ein Tag.

Ich werde dich wieder nicht finden.

Ach, vielleicht gehst du mir

Morgen vorüber.

Und ich kenne dich nicht

Für Mary aus Ahlbeck

Wir lagen tief in einer Dünenschlucht,
Bei Himbeersträuchern, sahn die Kämme nur
Der hohen Dünen, und der Sonne Spur,
Der Mittagsstunden langsam ziehnde Flucht.

Das Blut empfing den Kuß der Sonne tief,
Der ganze Leib empfing die warme Flut,
o welch ein Glück, da in der Sonne Glut,
Im goldnen Licht das ferne Leid entschlief.

Und langsam sang die Stille uns in Schlaf,
Wir hörten’s kaum noch, wenn der Wind vom Meer
Der Schiffer Stimmen trug zu uns einher,
Und selten Hufschlag noch das Ohr uns traf.

Wie Götter ruhten wir im goldnen Raum.
Des Winds Oboen, und des Sandes Klingen,
Der Halme Zittern, und der Bienen Singen,
Sie klangen leise in den süßen Traum.

Und manches Mal erwachten wir vom Schrei
Der weißen Möwen, der zu Häupten klang,
Und wenn der Wellen Brausen lauter drang
Im aufgefrischten Winde uns herbei.

Dann sahen wir ins tiefe Himmelsblauen.

o weites Reich, das unser Blick durchflog!

Ein Silberwölkchen nur im Lichte zog,
Dianas Bogen war es gleich zu schauen.

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